Wasser - Nixengold

Wie eine Braut bei der Hochzeit

Benita Heldmann zeigt magische Fotografie im Glashaus

Als Isaac Newton den Apfel fallen sah, dachte er über die Gesetze der Schwerkraft nach. „Warum“, fragte sich Newton, „fällt der Apfel nicht nach oben?“ Eine Antwort auf diese Frage gibt die Fotografin Benita Heldmann, die nichts lieber macht, als Äpfel nach oben fallen zu lassen. Auch wenn ihre Äpfel eher Nixen und Elfen sind, die durch den Raum schweben.

Benita Heldmann mag die Schwerkraft nicht. Warum auf dem Boden bleiben, wenn einem drei Dimensionen zur Verfügung stehen? Warum sich mit dem begnügen, was man hat, wenn hinter einer Tür ein ganzes Universum lauert, das entdeckt werden will? Mit diesen Einsichten stürzt sich Benita Heldmann in ihre Arbeit, hebt in ihren Bildern die Naturgesetzte auf und verwandelt Alltägliches in Poesie und Zauberei.

Und das ist eine Menge Arbeit. So leicht, wie das Ergebnis dann aussieht, ist der Weg bis dahin nicht. Zaubern will gelernt sein und braucht jede Menge Übung. Von beidem hat die Hildesheimer Fotografin viel, denn schon seit langem verfolgt sie ihren Weg der magischen Fotografie. Am Anfang steht das Shooting, so wie wir es inzwischen aus etlichen Model-Casting-Shows kennen. Doch Benitas Casting sieht etwas anders aus. Sie steht mit ihrer Kamera vor dem Bullauge eines Schwimmbeckens, durch Funk mit einer Mitarbeiterin verbunden, die den Frauen, die ins Wasser springen, Anweisungen gibt.  Bis alles so stimmt, wie es sein soll, vergehen etliche Stunden und hunderte von Fotos.

Mit diesem Ergebnis geht die Fotografin dann an den Computer und bringt ganz neue Ebenen mit in das Bild. Da fliegen auf einmal Vögel durch den Raum, Blätter rauschen durch den Wald und geheimnisvolle Schriftzeichen leuchten auf. Mit der digitalen Bildbearbeitung entwickelt Benita Heldmann neue Strukturen, lässt das Licht verblassen und die Schwärze undurchdringlich werden. Wie die Braut bei der Hochzeit bekommt die Fotografie einen wunderschönen Schleier, der sie verhüllt, entrückt, verzaubert und begehrenswert macht. Hier wird Tür und Tor für das Geheimnis geöffnet, das alles verspricht und nichts preisgibt. Hier komponiert Benita Heldmann die Magie in das Bild, hier entsteht in intensiver Arbeit der Zauber, der vom fertigen Bild auf den Betrachter überspringt.

Bei dieser Verwandlung kommt der Wasseroberfläche eine besondere Bedeutung zu. Besser gesagt, der Wasserunterfläche, so wie sie die Fische sehen. Darin spiegeln sich die Farben und Figuren, lösen sich in geheimnisvolle Strukturen auf und spielen mit sich selbst. Da küsst eine fliegende Frau ihr flirrendes Spiegelbild, eine weit geöffnet Hand trägt ihren wild bewegten Widerschein und ein ganz entspannter Handrücken löst eine riesige Explosion von Formen und Farben aus.

Der einfache Zauber mit dem Benita Heldmann uns in andere Welten entführt, besteht darin, dass sie die Bilder dreht. Für die Gewohnheit der Augen ist der Horizont immer der Maßstab zur Orientierung im Raum. Wird der Horizont verschoben, geht der Alltag flöten. Statt nach unten zu tauchen, stürzen sich Benitas Gestalten auf ein unendliches Meer hinab. Statt nach oben zu streben, öffnen sie bislang unentdeckte Türen direkt vor sich, wie das antike Tor in Stargate.

Benita Heldmanns Fotografien sind wie ein schwerloser Traum vom Fliegen. Sie sind leicht, unbeschwert, zerbrechlich und stark. Aus so einem Traum aufzuwachen ist unangenehm, man möchte sich gleich wieder umdrehen und weiterträumen. Was im Bett meistens nicht funktioniert. Im Glashaus dagegen schon, denn das braucht man einfach nicht zu verlassen und kann sich die Ausstellung stundenlang anschauen.

Text: Martin Ganzkow